Als Abschluss der Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Rollenbildern von Mann und Frau sowie den Wertesystemen unserer Gesellschaft entstand die performative Aktion und die Fotoserie "Amazone21" in welcher sich in Dessous gekleidete Frauen in einem Gerichts-Gebäude mit Dildos gegenseitig verprügeln. Das Männliche, die Waffe wird zu einem absurden, immer verfügbaren Werkzeug. Die Potenz zu einem lächerlichen Schlagstock von miteinander konkurrierenden Frauen. Die über Jahrtausende von gelehrten Männern propagierte Vision der männerbenutzenden, autonomen, sexy Amazone aus "grauer Vorzeit", wie es bereits Homer beschrieb, wird nun wahr...
Das Werk wurde mit freundlicher Unterstützung der Firma GRIEGER PROFESSIONELLE BILDTECHNIKEN in Düsseldorf in der Grösse 245x180cm realisiert. www.grieger-online.de ________________
"Von Attrappen und Poesie-Erregern – Bianca Patricias Wiederverzauberung des Geschlechts" Text von Claudia Fischer
Es gibt Dinge, die selten sichtbar werden, obwohl es sie im Überfluss gibt. Ihre unterirdischen Ströme von permanentem Angebot und sich still vollziehender Nachfrage fließen breit und unbemerkt. Der Markt der oft aufwändig produzierten Geschlechtssubstitute ist ein solcher Überflussmarkt. Containerweise werden abenteuerliche Plastikdildos und „gefühlsechte“ Multifunktionsunterleiber durch die Welt gesendet. Bianca Patricia hat aus diesem Strömen einige Kisten Versandware an die Oberfläche gezogen und die bizarren Objekte zu irritierenden Stillleben arrangiert. Die Fotografien, die dabei entstanden, präsentieren und entziehen dem Betrachter die aufgenommenen Objekte gleichzeitig und gleichermaßen. Schnell wird er von der subtilen Zeigelust der Bilder in Bann gezogen, die – visuell hyperreal – gefäßhaft anmutende Solitäre und reduzierte Arrangements verschiedener Einzelobjekte, irritierende Potpourris aus Sexhilfen und Primärgeschlechtsteilen sowie die manieristische Zusammenstellung üppiger Fruchtensembles abbilden. Was ästhetisch auf den ersten Blick ohne weiteres gefällt, wirkt bereits auf der ersten Metaebene vor allem verunsichernd schön. Aufgetaucht aus dem Schmuddel- und Schummerlicht verallgemeinerter und verallgemeinerbarer Erotik, wirken die Sexspielzeuge hier ätherisch, zerbrechlich und filigran. Es geht eine subtile Kühle und stille Melancholie von ihnen aus, die eher das Unerfüllte und Unerfüllbare im Umgang mit ihnen hervorheben, als die heißen Erregungen, mit denen die Hersteller für sie werben. Geschichtslos und schweigend liegen die bleichen Torsi, Phalli und übrigen Gerätschaften nebeneinander - geschichtslos und schweigend, wie der einsame, vögelnd-ungevögelte Sex mit den künstlich auf Körpertemperatur zu bringenden Ersatzobjekten. Und dennoch wirken diese Arrangements als eigentümliche „Poesie-Erreger“ eher zart und elegisch. Die Fotografie als Medium und Transportmittel einer solchen Wirkung blendet verfahrensimmanent die gesamte haptische wie olfaktorische Assoziationsebene aus, ohne deren Anregung die Objekte als Lustgenerator nicht funktionieren. Der pornographische innere oder aber real eingelegte Film, der Praktiken mit Geschlechtssurrogaten üblicherweise begleitet, bleibt eigentümlich leblos oder wird ganz unmöglich. Interessant dabei ist, dass die Fotos dennoch das unterschwellige Gefühl, das im direkten Kontakt mit den Objekten aufkommt, besser wiedergeben, als es in der echten Berührung mit ihnen gefühlt werden kann. Zu groß sind zunächst einmal das Erstaunen und neugierige Betasten dieser skurrilen Nachbauten lebendiger Geschlechtsorgane. Im Nachklang aber hinterlassen die unlebendige Kühle der Materialien, der süßliche Silikongeruch und die blassen Farben einen subtilen Anflug von Nekrophilie und das unbestimmte Gefühl, es mit parfümierten Untoten zu tun gehabt zu haben: Mit unlebendigen Vampiren, die immer nur gefickt werden wollen, die Sperma statt Blut trinken und selber nie zurückficken. Die Phallus-Imitate dagegen wirken eher wie aus dem Leib- und Männlichkeitskontext heraus gelöste Future Tools, die der autonomen Befriedigung gleich mehrerer weiblicher Bedürfnisse auf einmal dienen sollen und können. Sie sind Designobjekt, Küchengerät und eben: Ersatzphallus in einem und damit das ideale Autonomiezubehör abgeklärter Großstadtamazonen. Während die antiken Amazonen in ihrer kriegerischen Schwesterngemeinschaft dem Männlichen keineswegs abhold waren, bekämpfen sich die modernen Stadtamazonen – wie wir sie hier in der Gruppeninszenierung im Kölner Oberlandesgericht sehen - oft nur noch gegenseitig mit den abgeschnittenen Schwänzen ihrer Väter, Brüder und verflossenen oder aktuellen Liebhaber. Als hyperreales oder bizarr verfremdetes Plastikgerät erinnert der männliche Phallus nicht einmal mehr an das spritzende Blut oder den gellenden Schmerz der Entmannung der Männer, wodurch die Szenerie mythologische Tiefe beziehen könnte, sondern degradiert den erigierten Penis zum lächerlichen Gimmick wütender Weiber. Dass der Phallus und die inszenierte Wut der agierenden Frauen auf dem Amazonenbild nicht mehr bezogenen, sondern nur noch verweisenden Charakter haben, zeigen die eingeübten Posen einer sich selbst genügenden exzessiven weiblichen Selbstdarstellung. Heutiges Amazonentum hat das Männliche (mit seinen sämtlichen Attributen) als realen Außenbezug abgeschafft und stopft die lästigen Löcher gelegentlich auftretender Einsamkeit mit allzeit harten Plastiksurrogaten. Eine solche Einverleibung und der Raub des Männlichen sind natürlich nur so lange ungestraft zu vollziehen, als die Amazonengemeinde sich einstimmig darauf einschwört und von keiner männlichen Interessensvertretung emanzipatorischer Einspruch erhoben wird. Sobald aber die seelische Verhärtung durch künstliche Dauerpenetration zu einem Schmerz wird, mit dem keine mehr umgehen kann, speien die modernen Amazonen ihre Kunststoffgehilfen wieder aus und gehen mit solcherart ideologisch aufgeladenen Nudelhölzern aufeinander los: In Negligé und in der Hoffnung, irgendein standhaft immer noch beschwanzter Ritter könnte sie dabei sehen und unwiderstehlich finden. Eine solche „unmittelbare“ Begegnung der Geschlechter ist natürlich trotz aller gegenteiligen Konditionierungen das kollektiv beschworene Wunschmantra. Gleichzeitig haben sich vermutlich wenige Gesellschaften so weit in die Kluft zwischen medial geschürter Begehrensaufladung auf der einen und einem real zelebrierten Begehrensautismus auf der anderen Seite hinein gestürzt, wie die unsere. Weder die Entmannung des Mannes und der aseptisch lustvolle Umgang der Frauen mit dem losgelösten Phallus, noch die Flucht der Männer vor den rachsüchtig lustlosen Frauen in ebenso lustlose, aber wenigstens nicht unberechenbare Silikonhöhlen, beziehen sich noch auf eine mythologische Dimension der Geschlechterverhältnisse, welche immer dazu da war, Grausamkeit, Indifferenz und Unvereinbarkeit innerhalb und zwischen den Geschlechtern anzuerkennen, zu vermitteln und zu transformieren. Heute zieht die Abschaffung des Patriarchats leider vielerorts auch die Abschaffung des Männlichen selbst nach sich und viele der auf diese Weise entsorgten Männer empfinden die leibhaftigen Frauen erotisch vampirisch, da sie sehr wohl die männliche Begehrensenergie haben wollen, damit letztendlich aber doch nichts anfangen können. Dieses Nichts-mehr-anfangen-Können mit den Männern ist vielleicht auch einer der Hauptgründe für den Rückzug der Frauen aus der Bezogenheit zum Männlichen in eher selbst bezogene Autarkiebestrebungen. Vor diesem Hintergrund erscheinen der forsche Umgang mit aseptischen Phallussurrogaten oder die Flucht in „gefühlsechte“ Körperöffnungen als praktikable Befriedigungsstrategie. Wenn auch der traurigen Art - als knallharte oder gallertartig wabernde Zuflucht in die Geschichtslosigkeit. Dort hängen derzeit Männer wie Frauen gleichermaßen fest. Was aber ist in diesem Geschlechterzusammenhang unter „Geschichtslosigkeit“ zu verstehen? Während das Reale immer eine Spur Fiktion brauche, um überhaupt real zu sein, baue die Pornographie auf das fiktionslos Reale ohne jede Metaebene, sagt Slavoj Zizek in seinem Film „The perverts guide to cinema“ und umreißt damit den Unterschied dessen, was in der griechisch antiken Welt als zivilisiert oder barbarisch verhandelt wurde. Nicht Moral spielt in dieser Unterscheidung eine Rolle, sondern die Fähigkeit, sich in der Welt als zoon logon echon zu bewegen, als ein sprachbegabtes Lebewesen, das seine exponierten Mitteilungsmöglichkeiten für ein selbsttätig handelndes und gelingendes Leben zu nutzen weiß. Oder eben auch nicht. Gerade auch in Bezug auf die erotische Verkörperung hatten die Griechen ein reiches Spektrum an Inszenierungen, Erzählungen, Ritualen und Institutionen, welche die belebende wie auch zerstörende Kraft des Eros zu feiern und zu bändigen suchten. Der entfesselte Eros war immer Teil oder Höhepunkt einer größeren Inszenierung, die ihn als Gott oder Dämon feierte und in einer das gesamte Leben spiegelnden, erhöhenden und begleitenden Mythologie beheimatete. Dabei war insbesondere der männliche Phallus zentrales Symbol für den entfesselten Eros und wurde mitunter - zum Beispiel bei den dionysischen Festzeremonien - als riesige Skulptur durch die Stadt getragen. Sogar Aphrodite, die Göttin der Schönheit, ist aus dem (abgeschnittenen) Phallus ihres Vaters entstanden. Was dies für Eros und Schönheit bedeutet, ist ein schier unerschöpfliches Dauerthema, sicher aber ist, dass Eros, Schönheit und rituelle Festlichkeit im antiken Griechenland in einem ursprünglichen Bezug zueinander standen, der sich auch über die Symbolkraft des Geschlechts mitteilte, das immer dramatische Vergegenwärtigung und nie bloße Abbildung intendierte. Diese Tradition greift Bianca Patricia wieder auf und bringt darstellend zur Sprache, was bislang genre-immanent der Sprachlosigkeit knallharter Realität anheim gefallen ist. Ursprünglich gedacht als Fetische der Geschichtslosigkeit und Idealpartner medial stimulierten Pornosex’ werden die Pornopuppen und Sexutensilien bei Bianca Patrizia zu Schlüsseln, die mit der Geschichte wieder in Bezug bringen. Die Mischarrangements aus gespenstisch „naturgetreuen“ Sexattrappen für Männer und der aggressiv inszenierten Künstlichkeit weiblicher Spielzeuge erzählen symbolisch die Geschichte einer schleichenden Entfremdung und Versachlichung der realen Verhältnisse, die das Erotische kaum mehr als etwas in der Begegnung und Gegenseitigkeit Lebendiges oder lebendig Gewesenes erinnern. Der Schmerz der Männer über den Rückzug und Verlust der Frauen, sowie deren böses Erwachen darüber, dass die Ambivalenz zwischen Totalaneignung und Totalablehnung der männlichen Potenz nicht in komplettierende Erfüllung sondern in die subtile Täter-Opfer-Erfahrung eines resonanzvergessenen und notgenerierten Geschlechterraubs mündet, wird in Bianca Patricias Photographien wertfrei thematisiert. Zu vielfältig sind die Möglichkeiten der Interpretation, als dass die Bilder hier endgültige Antworten leisten müssten oder könnten. Vielleicht sind diese Puppen und Attrappen tatsächlich „Sinnbilder passiver Menschlichkeit“ und Gegenstände, die „man nicht zu schonen braucht“, wie Theodor Däubner schon zu Anfang dieses Jahrhunderts schreibt, Sinnbilder, die die Schonungslosigkeit der menschlichen „als-ob“ Verhältnisse auf analoge Weise mitteilen können. „Nature Morte – Sehnsucht“ ist nicht nur eine Ansammlung von Symbolen der Funktion und Sehnsucht, die unsere kollektiv praktizierte Fiktion von Liebe, Sexualität, Glück, Erfüllung und Begierde widerspiegeln, sondern auch ein Ausstieg aus Rachsucht und Eskapismus in die Anerkennung und Zurschaustellung der Verhältnisse. So betrachtet initiiert Bianca Patrizia mit ihren Photographien die Transformation der Frauen von Erinnyen zu Eumeniden und bricht eine Lanze für die dringend anstehende Emanzipation der Männer in einen „gefühlsechten“ Bezug zu sich selbst und in die Unterscheidungskraft, Eumeniden von Erinnyen lebensglücktauglich zu trennen.
(wie Hans Bellmer seine libertinären Puppen in der ersten Hälfte des 20. Jhd. auch nannte, aus: Puppen, Körper, Automaten - Phantasmen der Moderne, hrsg. von Pia Müller-Tamm und Katherina Sykora, Köln 1999, S.259) |
"Of dummies and poetic exciters - Bianca Patricia’s |